Sturmfluten damals - ein Augenzeuge erinnert sich


Der Lehrer U. Fürstenberg erinnert sich an Sturmfluten und Überschwemmungen aus der Zeit um 1900 in Hetlingen, die er als Knabe erlebte:

"Bei dem Dorfe Hetlingen hat das ungeschützte Vorgelände (außendeich) eine durchschnittliche Breite von reichlich 2000 m und besteht aus guten Marschweiden, die zum größten Teil der Gräsung, zum kleinen Teil der Heugewinnung dienen, und aus Bandholzkulturen. Bei Sturmfluten entsteht hier in wenigen Stunden ein einziger großer See, der seine brausenden Wellen bis hoch an den Deich schlägt, und aus dem die zerstreut liegenden Gutshöfe auf den hohen Wurten wie kleine Inseln (Halligen) hervorragen. Am häufigsten treten Sturmfluten im Herbst und in den letzten Wintermonaten, seltener im Frühjahr und Vorsommer und dann meistens bei Springflut auf.

Zum Schrecken der Bewohner werden die Sturmfluten durch den nicht selten großen Verlust an Vieh, Bandholz und Land, den man hernach zu beklagen hat. Wenngleich mit Wind und Wetter nach jahrelanger Erfahrung vertraut, weckt die Bewohner doch mitunter unverhofft der unheilvolle Nordwest aus dem sanften Schlaf und jagt sie an den Deich, in den Kampf mit den Wellen. In größter Eile rennt alles an die Schlagbäume, um dem ängstlich brüllenden Vieh die Flucht an den Deich zu ermöglichen. Manches Stück Vieh bleibt jedoch am Grabenrande oder auf einer anderen Anhöhe stehen und muß von waghalsigen Männern zu Pferde durchs Wasser getrieben oder in Kähnen aufs Trockene gebracht werden.

Bald vermag der Deich das viele Vieh nicht mehr zu fassen, es wird durchs Dorf auf die Binnendeichweiden getrieben. Welch ein Lärm, welch ein Geblöke. Alles schreit durcheinander, keiner versteht bei solchem Gebrüll und Sturmgeheul den nächsten Nachbarn; alles handelt auf eigene Faust. Vergebens sucht mancher sein Vieh, läuft von einem Hof zum anderen, stürzt in der Dunkelheit über Ackergeräte und Misthaufen oder gar in Jauchegruben. Währenddessen steigt das Wasser immer drohender den Deich hinauf, die Schotten müssen an die Stöpen geschleppt, der Mist zum Ausfüllen muß herangekarrt werden. In der Aufregung und Hast läuft einer den anderen um, schimpft und flucht mörderisch. Gott sei Dank wurde die Gegend nur selten von solchen nächtlichen Sturmfluten heimgesucht, doch eine (als Knabe erlebt) genügt schon, um sie dauernd im Gedächtnis zu behalten.

Weniger gefährlich sind selbstverständlich Sturmfluten bei Tage. Da wird alles, was abtreiben kann, rechtzeitig gehörig verankert, das Vieh beizeiten in Sicherheit gebracht. Wahre Helden sind dann die Jungen und die Halbwüchsigen. Mit mächtigen Knüppeln bewaffnet und in alten aus der Rumpelkammer hervorgesuchten Kleistiefeln, die oft bis übers Knie reichen, stampfen diese Kerle schwerfällig über den Deich, um eine mörderische Jagd auf Ratten, Mäuse und Hasen zu machen. Wahre Abenteuer könnte man da aus seiner Jugend erzählen."

U. Fürstenberg: "Alle Sturmfluten lassen einen feinen, fruchtbaren Schlamm zurück, der an Wert gutem Dünger gleichsteht und auch stets einen üppigen Pflanzenwuchs zeitigt. So hoch diese Schlammschicht an und für sich zu schätzen ist, so sieht sie dennoch der Marschbauer nicht gern zu jeder Zeit. So büßt zum Beispiel das Heugras, wenn es unter Wasser gestanden hat, sehr viel von seinem Nährwert ein und wird vom Vieh hernach als Heu ebenso ungern gefressen wie das Gras auf den Dauerweiden kurz nach einer Überschwemmung. Gleich darauf einsetzender Regen vermag größeren Schaden oft abzuwenden."

Text aus dem Buch "Vor den Toren der Großstadt" Wanderbuch Wedel und die Haseldorfer Marsch. Herausgegeben vom Altonaer Schulverein 1928.

Gut Idenburg mit Schachblumenwiesen

Die Güter Idenburg und Giesensand wurden auf ehemaligen Sandhügeln (Dünen) im Elbstromtal gebaut. Idenburg gehörte über Jahrhunderte zum Gut Haseldorf. Es liegt auf einer Warft 4 m über dem übrigen Land. 1855 mussten die Bewohner Idenburgs vor einer Sturmflut auf den Boden flüchten. Am nächsten Tag kamen Boote aus Haseldorf mit Lebensmitteln.

Giesensand

Seit dem Deichbau 1976 befinden sich die Güter Idenburg und Giesensand nicht mehr im gefährlichen Vordeichgelände, sondern sind durch einen Deich vor den Fluten der Elbe geschützt. Über die Schachblumen können Sie hier etwas lesen.